Britta Kienle in der Presse

 

Esslinger Zeitung

Esslingen: Besuch bei der Kartenlegerin Britta Kienle

 Bericht von Petra Pauli:

Das Heil am Hörer

 

Dezember 2000

 

Wir sitzen bei Britta Kienle in der Küche, an einem kleinen Holztisch. Der handgeschriebenen Zettel im Bilderrahmen stellt klar, dass hier 30 Minuten 60 Mark kosten. Das ist nicht zuviel meint die blonde Frau, andere verlangen mehr, ihr komme es nicht so sehr aufs Geld an. Laufend klingelt das Telefon auf der Anrichte. Der Anrufbeantworter springt an. Die Ruhe dauert kurz, nur solange, bis wieder ein Ratloser telefonisch nach Hilfe verlangt.

Britta Kienle ist Kartenlegerin, Astrologin und sehr gefragt. Es gäbe Kunden sagt sie, die täglich ihre 0190-Nummer wählen und fragen, wie der Tag wird, ob man sich nach einem Streit entschuldigen soll oder nicht, ob der Geliebte gerade an einen denkt oder nicht. Denn Kienle kann auch Unmögliches: sich in die Gedanken des Partners der Anruferin oder des Anrufers versetzen. Sagt sie. Und trotzdem: Die Esslingerin versteht sich partout nicht als Wahrsagerin oder Hellseherin, sie betreibe Lebenshilfe. Die Spielkarten seien nur Hilfsmittel, vor allem brauche man für diesen Job Intuition. Die hat sie anscheinend im Übermaß. Als später die nächste Kundin klingelt, diesmal unten an der Haustür, spürt Kienle schon durch die Sprechanlage, was Sache ist. "Oh, diese Frau hat viel Kummer, ist sehr traurig."

Die Kartenlegerin schaut sich selbst in die Zukunft. Das macht sie sowieso jeden Morgen, gleich nach dem Kaffeekochen, und jetzt mischt sie fürs Foto nochmals die 36 Karten und breitet sie vor sich auf dem Tisch aus. Da liegt sie, die Ratten-Karte. "Das ist die Schlimmste." Aber ein Motiv allein sagt noch nicht viel, man müsse immer die Gesamtheit sehen. "Ein Umzug steht an", murmelt die Frau. Die Karten erinnern noch an normale Spielkarten. Aber unter dem Feld mit Herz, Pik, Dame oder Bube sind bunte Bilder; der Blumenstrauß etwa könnte bedeuten, dass ein großes Geschenk, eine Einladung oder eine Feier ins Haus stehen könnte. Der Sternenhimmel könnte für Sehnsucht stehen. Könnte. Kienle redet beim Kartenlegen stets im Konjunktiv. "Scheidung wäre möglich", sagt sie beispielsweise und schiebt gleich nach, was man tun könnte, dass es zur Trennung gar nicht erst kommt. Das ist ihre Form der Lebenshilfe. Das Schicksal sei nicht endgültig, man hat es immer in der Hand, heißt die Botschaft. Über den Tod sagt die 61-Jährige nie etwas ("dafür ist ein anderer zuständig"), Zeitangaben macht sie nur grob. Theoretisch kann man die Kartenlegerei auch mit einem normalen Skatspiel oder mit Tarot betreiben.
Aber Frau
Kienle kennt sich besser mit Madame Lenormands Karten aus und hat über diese Technik sogar zwei Lehrbücher geschrieben. Und sie gibt Kurse, persönlich und per Telefon.

Weil Kienle nicht nur Kartenlegerin, sondern auch Astrologin ist, lässt sie sich von ihren Klienten das Geburtsdatum sagen. So checkt sie nebenher auch noch die Sterne ab. Ihren Dienst " bei Tag und auch bei Nacht, wie es im Werbeprospekt heißt " nehmen mindestens so viele Männer wie Frauen entgegen. Der Zwillinge-Frau von der Zeitung sagt Britta Kienle nur etwas über Saturn und Turbulenzen im März-April. Dann ist die Zeit um, die nächste Kundin steht schon im Flur. Und wir kennen die Zukunft erst, wenn sie Gegenwart ist.